Beschreibung
Die Leitidee zur Konversion der ehem. Militärkaserne bestand in der Dualität aus Historie und Zukunft. Einerseits sollten baukulturelle Besonderheiten behalten werden und sichtbar bleiben. Andererseits wurden neue Qualitäten geschaffen, die das zukünftige Quartier mit der Umgebung vernetzen. Verbindungselement zwischen Alt und Neu wurde ein landschaftlicher Rahmen um den Standort. Dieser zeichnet die ehemals unüberwindbaren Grenzen des Areals nach und wird so zum vielfältigen Verbindungsraum im Umgang mit den Gebäudehöhen zwischen den angrenzenden Stadträumen und dem Rochdale-Quartier. Ziel war außerdem eine möglichst weitgehende Entsiegelung bei einer gleichzeitig hoher baulicher und wohnungswirtschaftlicher Dichte.
Das städtebauliche Konzept steht unter der Prämisse, ein urbanes und zugleich grünes Quartier mit hochwertigen öffentlichen Freiräumen zu sein. Zwei städtebauliche Körper prägen das neue Rochdale-Quartier und verleihen ihm seine besondere Identität: der Quartiershub am neu entstandenen Rochdale-Square im südlichen und der Sport-Hangar in der ehemaligen Fahrzeughalle im nord-westlichen Teil des Quartiers. Der Quartiershub ist ein multifunktionaler Baustein mit einer Mobilitätsstation, einer Energiezentrale und - zum Platz hin – einem klassischen Wohn- und Geschäftshaus, das vielfältige Funktionen für das Quartier und die Nachbarschaft übernimmt. Die ehemalige Fahrzeughalle im Nordwesten bleibt erhalten und wird als Sport-Hangar einer öffentlichen und gemeinschaftlichen Nutzung zugeführt.
Das Freiraumkonzept verfolgt das Ziel, einen grünen Stadtteil mit Räumen und Plätzen für buntes Leben zu schaffen. Der Freiraum des neuen Rochdale-Quartiers gliedert sich in mehrere Teilräume. Zentrale Schwerpunkte der Öffentlichkeit sind die Quartiersplätze. Der Rochdale-Square mit dem Quartiershub und der Platz am Sport-Hangar mit der Fahrzeughalle sind die neuen Herzstücke des neuen Quartiers und ergänzen sich in ihren Funktionen. Während der Rochdale-Square als klassischer Quartiersplatz mit Raum für Gastronomie, Veranstaltungen und Märkte der zentrale Mittelpunkt ist, wird der Platz am Sport-Hangar zum Identitätsgeber der Konversionsmaßnahme. Auf besondere Weise trifft so Neu auf Alt. Durch den Schwerpunkt Sport, Spiel und Freizeit und den Berührungspunkt zum Parkband mit dem renaturierten Lonnerbach wird hier der neue Spirit des Quartiers deutlich. Das Parkband wird als rahmende grüne Infrastruktur von der ehemaligen Grenze zum verbindenden Element von Quartier und Nachbarschaft. Rhythmisiert wird es von kleinen Plätzen – den Quartiersentreés – die als bewusste Öffnungen Orte des Austauschs werden. Eine das Parkband begleitende Parkpromenade rahmt das ehemalige Kasernengelände zusätzlich und bindet an die übergeordneten Freiraumverbindungen und Radwegeverbindung an. Das Quartier erhält außerdem ein differenziertes Angebot für Sport-, Spiel- und Freizeitnutzungen. Neben kleinen Spielflächen auf den dezentralen Quartiersentreés, werden großzügige Grünflächen mit Naturspielmöglichkeiten im westlichen Parkband entwickelt. Um die alte Fahrzeughalle werden Spiel-, Sport- und Aufenthaltsflächen für groß und klein angeboten. In der Halle entstehen Sport-Angebote für sowohl öffentliche als auch vereinsgebundene Aktivitäten, wie u. a. Bouldern, 3x3-Basketball, oder Tischtennis.
Das Erschließungs- und Mobilitätskonzept basiert auf der Bereitstellung von Anreizen zum Verzicht auf einen privaten Pkw, indem den Bewohner:innen vielfältige alternative Mobilitätsangebote unterbreitet werden. Die Haupterschließung des Standortes für den motorisierten Individualverkehr erfolgt über eine neu ausgebaute Kreuzung sowie über eine auf Linksabbieger beschränkte Ein- und Ausfahrt. Bereits nach 120 Metern wird der Zielverkehr im Quartiersparkhaus aufgenommen. Dieses bietet rd. 360 Pkw- und 380 Fahrrad-Stellplätze für Bewohner:innen, Arbeitende und Kund:innen im Quartier. Zusätzlich werden über eine integrierte Mobilitätsstation E-Ladesäulen sowie der Verleih von Fahrrädern, Lastenrädern, E-Bikes und Pkws angeboten. Begleitend zur Fahrbahn werden Fuß- und Radwege entlang der Haupterschließung getrennt geführt. Hinter dem Quartiershub erfolgt die Erschließung über den sog. Quartiersloop, einen von allen Verkehrsteilnehmer:innen gleichrangig nutzbaren Shared Space, der für den motorisierten Individualverkehr nur von Anwohner:innen befahrbar ist. Der motorisierte Individualverkehr bleibt dadurch auf das südliche Drittel um das Quartiershub beschränkt.
Neben der ehemaligen Fahrzeughallen blieben insb. um den Rochdale Square im Süden des Quartiers mehrere Bestandsgebäude erhalten. Funktional konnten die Gebäude so wurden in das zukunftsfähige Konzept integriert werden. Das ehemalige Hauptgebäude der Kaserne behält seine wichtige Rolle und wird zum neuen Stadtteilzentrum. Zur Oldentruper Straße erhält ein Teil der Bestandsfassade einen neuen, transparenten Fassadenlayer. Als großes Stadtteilfenster sollen so die Aktivitäten im Quartier nach außen hin sichtbar werden. Weitere erhaltenswerte Bestandsgebäude um den Rochdale-Square beherbergen Misch- und Gewerbenutzungen wie medizinische Einrichtungen, Büros und Co-Working sowie besondere Wohnangebote.
Demgegenüber ist der Bereich westlich und nördlich des Quartiershubs geprägt von Neubauten in verschiedener Körnung und mit unterschiedlichen Funktionen. Das Entreé Am Rußkamp ist eine der wichtigen Schnittstellen zwischen dem neuen Quartier und der umliegenden Nachbarschaft. Hier befinden sich eine Kindertagesstätte sowie eine Seniorentagespflege. Beide Gebäude sind jeweils mit Wohnnutzungen überbaut und fügen sich dadurch in die städtebauliche Struktur des Rochdale-Quartiers ein. Am Westrand wurde ein Baufeld für experimentelles Wohnen entwickelt, das im Erdgeschoss jeweils gemeinschaftliche Nutzungen vorsieht. Hier können Genossenschaften genauso wie Baugruppen ihre Visionen von zukunftsfähigem, gemeinschaftlichem und nachhaltigem Wohnen umsetzen. Nördlich und östlich des zentralen Erschließungsrings entstehen kleinteilige Wohngebäude mit unterschiedlichen Wohnungsgrößen. Mit maximal vier Geschossen reagiert die Bebauung auf die Gebäudehöhen der Umgebung und ermöglicht eine Vielzahl von Blickbeziehung zwischen Bestand und Neubau. Innerhalb des Quartiersloops ist die Bebauung geprägt von einer höheren Dichte und Geschossigkeit. Die größeren Bausteine ermöglichen effiziente und vielfältige Wohngrundrisse. Die Erschließungskerne sind als Zwei- und Dreispänner sowie als kurze Laubengänge konzipiert.
Als besondere Bausteine setzen drei siebengeschossige Holzcubes Akzente. Die in Holzbauweise errichteten Würfel werden in den Regelgeschossen als Achtspänner ausgeführt und bieten im Erdgeschoss quartiersbezogene Gemeinschaftsräume wie Co-Working, Quartierswerkstätten und Gästewohnungen. Das Dachgeschoss verfügt über einen gemeinschaftlich nutzbaren Wintergarten mit Blick über das Quartier. Zur Herstellung einer möglichst kleinräumigen sozialen Durchmischung wird vorgeschlagen, die Wohnungen mit Belegungsbindung nicht gebäudeweise, sondern innerhalb einzelner Geschosse und somit gleichmäßig über das Quartier zu verteilen. Hierfür geeignet ist insbesondere die etwas dichtere Mitte mit den größeren Wohngebäuden. Die kleinteiligen Strukturen am Rand können nach Bedarf auch der Wohneigentumsbildung dienen.
Das Regenwassermangement ist ein wesentlicher Bestandteil des neuen Quartiers. Im umlaufenden Parkband werden großzügige Retentionsflächen geschaffen, die überschüssiges Wasser aus dem Quartiersinneren aufnehmen. Neben Gründächern werden auch die Vorzonen der Häuser als potenzielle Retentionsräume angelegt. Ebenso wird in den grünen Gemeinschaftshöfen durch leichte Muldenbildung zusätzliches Rückstauvolumen für Starkregenereignisse geschaffen. An der Nordostecke des Quartiers, ist zudem ein großes Retentionsbecken mit 1.400 m3 Volumen und Drosselablauf vorgesehen, das sich harmonisch in die Gesamtgestalt und das Retentionssystem einfügt. Durch die Freilegung des Lonnerbachs und das Konzept für Retentionsflächen wird Wasser so zu einem wesentlichen Gestaltungselement.
Das Energiekonzept greift hinsichtlich des Wärmebedarfs neben der Errichtung von energetisch optimierten, hochgedämmten Gebäudehüllen auf die anliegende Fernwärme als Primärenergie zurück. Der Strombedarf für das Quartier kann zu einem großen Teil über Photovoltaik-Anlagen auf den großen städtebaulichen Bausteinen Quartiershub und Sport-Hangar erzeugt werden, sodass eine weitgehend autarke Versorgung mit Quartiersstrom erfolgen kann. Im Quartiershub besteht zudem die Möglichkeit, die gewonnene solare Energie mittels CO2-Stromspeicher zwischenzuspeichern.
Der Wettbewerbsbeitrag ist entstanden in Kooperation mit hutterreimann Landschaftsarchitektur. Visualisierung: Studio Maurermeier, Modellbau: modellwerk weimar